Deutschland, Ruhrgebiet

thyssenkrupp Duisburg – Stahl kochen in Europas größter Küche

Renate Kraft

Renate Kraft

Ein Besuch bei thyssenkrupp Duisburg ermöglicht es, live dabei zu sein, wenn Stahl gekocht wird. Der Stoff, der aus unserem Leben einfach nicht wegzudenken ist. Schlicht alles, vom klitzekleinen Nagel bis zum gigantischen Wolkenkratzer, kann aus Stahl sein. Mit nur ein bisschen Phantasie fühlst Du Dich wie ein Liliputaner in einer riesigen Küche, während Du beobachtest, wie im Norden von Duisburg, direkt am Hafen, im größten Stahlwerk Europas rund um die Uhr gekocht wird.

Safety first – vor dem Start

Das Gelände ist riesig. Fast fünfmal so groß wie Monaco. Und Du fährst mit einem Bus von Werk zu Werk und bekommst wirklich beeindruckende Einblicke. Doch zuvor gibt es erstmal eine Einweisung in die Sicherheitsvorschriften. Denn natürlich fliegen Späne, wo gehobelt wird. In diesem Fall sind es glühendheiße Funken vom kochenden Eisen. Doch Sicherheit steht an erster Stelle. Deshalb kann wirklich nichts passieren, wenn man sich an die Vorschriften hält. Feste Schuhe zum Beispiel, lange Hosen, lange Ärmel. Und überall auf dem Gelände sind Helm und Brille zu tragen.

Was passiert im Hochofen bei thyssenkrupp Duisburg?

Dann aber kann’s losgehen. Die Stahlproduktion beginnt im Herzen des Stahlwerks. Das ist der fast 90 Meter hohe Hochofen, in dem die Schmelzer Eisenerz zu Roheisen schmelzen. Riesige Schiffe kommen aus der ganzen Welt hier an und bringen unvorstellbare Mengen Eisenerz. Der Brennstoff für die Verarbeitung ist Koks, der in einer eigenen Kokerei auf dem Gelände aus Kohle gewonnen wird. Auch die Kohle kommt auf Schiffen von überall her hier an. Übrigens erzeugt thyssenkrupp in Duisburg mithilfe von Gasen, die bei der Stahlproduktion entstehen, auch selbst den in großen Mengen benötigten Strom selbst. All das spart enorme Kosten.

Im Hochofen wird das Eisenerz auf den Koks gefüllt. Dann wird von unten extrem heiße Luft in den Hochofen geblasen. Bei 1300 Grad Temperatur heißt diese Luft nicht umsonst „Heißwind“. Das Eisenerz schmilzt in der entstehenden großen Hitze. Eine chemische Reaktion entzieht dabei dem Eisenerz den Sauerstoff. Dabei entsteht das Roheisen. Es ist flüssig, sagenhafte 1500 Grad heiß und sammelt sich am Boden des Hochofens.

Spektakulärer Abstich

Was jetzt folgt, nennt man Abstich. Und es ist wirklich spektakulär. Denn jetzt sieht man das flüssige Roheisen. Mit einem riesigen Bohrer wird ein Loch in den Hochofen gebohrt. Das Roheisen fließt rotglühend ab. Natürlich wird das Loch dann wieder verschlossen. Der Hochofen läuft währenddessen weiter, Tag und Nacht, 25 Jahre lang. Ihn zwischendurch abzuschalten wäre ein extrem kostspieliges Vergnügen. Denn dadurch würde die Temperatur schnell fallen. Das Material im Inneren würde fest, und es würde „anbacken“. Der Prozess wäre unterbrochen und könnte nicht mehr fortgesetzt werden. Sehr aufwändige Reinigungsarbeiten wären die Folge.

thyssenkrupp Stahlwerk in Duisburg

Flüssiges Roheisen fließt wie Wasser, aber es sieht aus wie flüssiges Feuer. Das zu beobachten ist wirklich ein tolles Schauspiel. Fotografieren ist bei thyssenkrupp Duisburg leider verboten. Aber zum Glück kann man es ja live erleben. Es wird nun in eine Torpedopfanne abgelassen. Das sind extrem hitzebeständige Waggons, in denen das Roheisen auf der Schiene vom Hochofen zum eigentlichen Stahlwerk transportiert wird. Das Gewicht eines solchen Zuges kann dann schon mal bei rund 1200 Tonnen liegen.

Kochen im Stahlwerk von thyssenkrupp Duisburg

Erst im Stahlwerk findet das eigentliche Stahlkochen statt. Das glühende Roheisen wird zusammen mit geschreddertem Stahlschrott in einen Konverter gekippt, der aussieht wie ein gigantischer Kochtopf. 300 Tonnen Material fasst der riesige Kochtopf. Ganz wie in der Küche werden die Zutaten nun ordentlich zusammengemixt. Im Konverter, dem „Umwandler“, entsteht aus den Zutaten eine köstliche Stahlsuppe. Aus Eisen wird Stahl, indem ihm bei der chemischen Reaktion im Konverter der Kohlenstoff entzogen wird. Das passiert durch die Zufuhr reinen Sauerstoffs, bei der die Temperatur nochmals beträchtlich ansteigt. Durch den Entzug des Kohlenstoffs wird der Stahl sehr biegsam und stabil. Er bekommt also die Eigenschaften, die er braucht, um später für den Bau von Brücken oder Hochhäusern verwendet zu werden.

Es war eine sehr beeindruckende Werkstour. Und sie hat mein Interesse für die Industrie des Ruhrgebiets noch einmal verstärkt. Neulich hatte ich mich ja bei einem Besuch in Oberhausen schon mit der allerersten Eisenhütte beschäftigt. Spannender Vergleich zwischen gestern und heute!

Noch zwei Anmerkungen: Weil Fotografieren während der Tour verboten war, greife ich auf Fotos zurück, die bei anderer Gelegenheit gemacht habe.
Die Touren sind online buchbar und kosten aktuell (Dezember 2019) 19 Euro pro Person.

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32 Comments

  1. Liebe Renate,

    das glaube ich dir sofort, dass es eine beeindruckende Werkstour gewesen ist. Alleine schon dieses riesige Gelände. Wow. Scheint in jedem Fall nicht nur sehr informativ, sondern auch richtig spannend gewesen zu sein. Klasse. Wenn wir mal Urlaub in Duisburg machen, dann wäre das definitiv auch was für uns.

    Liebe Grüße,
    Mo

    1. Liebe Mo,
      Duisburg hat tatsächlich ne Menge Interessantes zu bieten. Schau Dir auch den Landschaftpark Nord an, wenn Du mal dort bist. Da kannst Du z.B. auf einem alten Hochofen rumklettern und abends ist oft alles toll angestrahlt. Ein wirklich interessanter Park ist das…
      LG Renate

  2. Huhu,

    wow, das scheint da ja unglaublich riesig zu sein, wahnsinn! Das wäre sicherlich auch was für mich gewesen, weil man dadurch einen viel besseren Einblick bekommt als nur davon zu lesen. War sicherlich sehr interessant für dich.

    Das man dort keine Fotos machen darf kann ich verstehen.

    LG
    Steffi

  3. Hallo! Wow – das klingt wirklich spannend! U d ist sicherlich auch ziemlich beeindruckend. Werden wir uns auf jeden Fall auch noch ansehen, wenn die Kinder etwas größer sind. Liebe Grüße, Lisa

  4. Das klingt mega spannend und aufregend! Vielen Dank, dass du mit uns deine Eindrücke geteilt hast. Ich finde das so spannend.
    Verständlich, dass Fotos machen da nicht erlaubt ist.
    Viele Grüße
    Freyja

    1. Ja, es ist schade aber verständlich, dass Fotografieren verboten ist. Aber noch ein Grund mehr, selbst hinzufahren. So was sieht man schließlich nicht alle Tage…
      LG Renate

  5. Ich finde solche Werkstouren immer besonders spannend. Einerseits das geschäftige Treiben und andererseits auch die gigantische Kulisse. Oft darf man aber gar nicht fotografieren, Betriebsgeheimnis und so 😉
    Deine Nachtaufnahmen sind dir wirklich super gelungen, ich wünsche ich würde das auch so hinbekommen!

    1. Danke, freut mich sehr, dass die Fotos Dir gefallen. Viel lieber hätte ich natürlich fotografiert, was ich während der Tour gesehen habe. Aber genau das war leider verboten. Ich versteh’s, trotzdem schade.
      LG Renate

  6. Fast ein wenig schade, dass du bei solch einer tollen Werksführung keine Fotos machen durftest – auch wenn ich es natürlich aus deren Sicht verstehen kann. Mega cool auf jeden Fall, mir war nicht bekannt, dass es solche Touren bei ThyssenKrupp gibt 🙂

    1. Ja, ist ein tolles Erlebnis. So was kannte ich bisher tatsächlich nur aus dem Fernsehen. Und ich hab jetzt auch endlich mal verstanden, wie das funktioniert mit der Stahlkocherei…
      LG Renate

  7. Ich wusste gar nicht, dass es bei Thyssen-Krupp eine solche Werksführung gibt, das wäre was für meine Jungs gewesen und für nachfolgende Referate und Aufsätze, obwohl, ohne Fotos kommt das immer halb so gut bei den Lehrern an. Es gibt jedoch viele Firmen die dies nicht gestatten, was natürlich nachvollziehbar ist, aber dennoch bissl schade. Solche Ausflüge wären echt was für Schulen, da kann man sich die Arbeit, Technik usw. sicher viel besser vorstellen. Ich kann mir sowas auch nie vorstellen, wie das alles funktioniert. Echt beeindruckend.

    LG Manja

    1. Die Fotos hab ich vom Alsumer Berg gemacht, einer ehemaligen Schutthalde. Ich war da nur einmal um zu fotografieren. Der Blick war großartig! Ich wollte unbedingt Fotos für den Artikel. Und da sind mir die wieder eingefallen…
      LG Renate

  8. Liebe Renate,
    Dein Blogtitel „Stahl kochen in Europas größter Küche“ ist sehr gelungen und hat mich sofort neugierig auf Deinen Artikel gemacht. Eine wirklich beeindruckende Werkstour hast Du für uns zusammengefasst, danke.
    Alles Liebe
    Annette

  9. Als meine Tochter noch wesentlich kleiner war, haben wir auch mal eine Tour durch ein ehemaliges Stahlwerk bei uns in der Stadt gemacht! War schon echt interessant, in welchen Dimensionen damals dort alles ablief!

    Liebe Grüße
    Jana

      1. Hallo Renate, ups, ich lese gerade auf der Seite der Tourbuchungen: „Menschen mit Gehbehinderungen, Höhenangst und Trägern von aktiven Körperhilfsmitteln (z.B. Herzschrittmacher, Hörgeräte) ist von einer Werksbesichtigung abzuraten.“ Kannst Du Dir erklären, warum Hörgeräte ein Problem darstellen?

        1. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass man dann keine Ohrstöpsel verwenden kann, und es ist da halt ziemlich laut. Aber ich bin ohne die Dinger rumgelaufen. War halb so wild. Ich würde aber an Deiner Stelle lieber mal anrufen und nachfragen…

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