Bonn, Deutschland, Gedanken

Gegen den Corona-Blues – wenn ein kleiner Ausflug wirkt wie eine große Reise

Renate Kraft

Renate Kraft

Nach drei Monaten Neuseeland bin ich jetzt drei Wochen wieder in Deutschland. Tag für Tag habe ich mit mir und dem Corona-Blues gekämpft und immer wieder versucht, optimistisch zu bleiben. Ich wollte der Krise unbedingt positive Seiten abgewinnen. Ich habe geschaut, wie andere Leute damit umgehen. Ich will nicht drumherum schreiben. Der Corona-Blues hat mich voll erwischt. Ich kann sie nicht mehr sehen, all diese Kochrezepte und Balkonkonzerte. Und dieses Hochjubeln von Home Office und Fortschritten bei der Digitalisierung. Das Leben ist nicht digital. Ich will keine Minute länger als nötig am Rechner im Home Office sitzen. Ich mag nicht mehr kochen. Und ich will auch Nachbarn nicht näher kennen lernen, mit denen mich noch nie irgendetwas verbunden hat. Corona ist Scheiße. So einfach, so wahr. Ich will raus!

Kein Halten mehr – raus aus dem Corona-Blues

Ostern gab’s kein Halten mehr. Zweieinhalb Wochen lang habe ich mich selbst wegen Corona in Bonn eingesperrt. Nur zum Einkaufen und mal für ein paar Schritte zum Rhein bin ich rausgegangen. Aber Corona hin und Lockdown her – irgendwann ist beim besten Willen Schluss. Ich brauche Tapetenwechsel – natürlich mit Abstand und gleich um die Ecke. Wenn es sein muss. Ich platze sonst.

Tolle Gelegenheit immerhin, die nächste Umgebung von Bonn mal zu erkunden. Das, was geht im Moment, hat mich bisher nie im Leben interessiert. Und so gibt es rund um das mir eigentlich so vertraute Bonn wirklich jede Menge Neues für mich zu erkunden. Zwei kleine Ausflüge habe ich in den letzten Tagen gemacht. Und ich muss sagen, dass sie mir nach dem Zurückgeworfensein auf meine vier Wände so gutgetan haben wie eine Weltreise. Ich hab’s so sehr genossen. Und darum erzähle ich hier auch lieber davon, als Euch damit zu langweilen, was auf meinem Herd so gebrutschelt hat in der letzten Zeit.

Am Sieglarer See

Nur ein paar Kilometer sind es zum Sieglarer See, einem wunderschönen, unter Naturschutz stehenden Baggersee. Rundum sind Autobahnen, und um die zu bauen, brauchte man seinerzeit massenweise Sand und Kies. Und so haben wir den schönen See genau diesen Autobahnen zu verdanken.

Nicht nur zu Corona-Zeiten ist der See ein tolles Ausflusziel. Denn es ist ziemlich ruhig. Sogar an einem Ostertag bei herrlichstem Wetter. Die Rheinpromenade ist dagegen auch jetzt reichlich gut besucht. Um Abstand zu halten, muss man Slalom laufen, was wenig Spaß macht. Anders am Sieglarer See. Ich schätze, hier ist es auch zu normalen Zeiten recht ruhig. Vielleicht liegt es daran, dass Baden verboten ist und Hunde an der Leine gehen müssen. Wegen Naturschutz.

Es gibt einen richtig tollen ungefähr vier Kilometer langen Spazierweg rund um den See. Ich hätte vor Freude jubeln können, als ich den am Ostersamstag entlanggegangen bin. Endlich wieder frei – an blühenden Bäumen und Büschen vorbei, durch knallgrüne kleine Wäldchen, immer am Wasser entlang. Zum ersten Mal habe ich mich so richtig rundum wohl gefühlt, seit ich aus Neuseeland zurück bin. Eine ganze Zeit lang habe ich auf einer Bank gesessen und ein bisschen auf Distanz mit den vorbeikommenden Leuten gequatscht. Die Meisten laufen ja hierzulande mit starrem Blick an einem vorbei. Aber es gibt auch ein paar Nette. Zum Glück.

Mein erster kleiner Ausflug war eine echte Entdeckung für mich. Ich war nie zuvor hier. Besonders gut haben mir die kleinen Inseln im See gefallen. Hier nisten Kormorane und Graureiher. Da ist dann natürlich um diese Jahreszeit eine ganze Menge los.

Immer am Vilicher Bach entlang

Gleich am nächsten Morgen saß ich wieder im Auto. Nur ein paar Minuten, denn Vilich ist gleich um die Ecke. Ein langweiliges Kaff, habe ich immer gedacht, ohne es zu kennen. Und da ist wahrscheinlich auch was dran. Aber es gibt dort den Vilicher Bach, an dem ein schöner Spazierweg entlangführt. Ich kannte bisher weder den Bach noch den Weg. Und so war der lange Spaziergang bis zum Rhein für mich wie eine spannende Entdeckungsreise.

Zum Beispiel gibt’s da die Burg Lede. Ich kann fast zu Fuß hingehen, hatte aber noch nie davon gehört. Sie sieht aus wie eine Ritterburg aus dem Bilderbuch. Sehr gerne hätte ich sie mir genauer angeschaut, aber hier war natürlich alles inklusive Garten dicht.

Aber der Weg am Bach entlang ist bei schönem Frühlingswetter ein absoluter Genuss. Da ich mich nach meiner Landung in Frankfurt kurz entschlossen in Bonn eingeigelt hatte, habe ich momentan noch nicht einmal meine Kamera zur Verfügung. Mein ganzes Zeug liegt an meinem Hauptwohnsitz in Ratingen. Also habe ich mir ein altes Schätzchen, eine Lumix, gegriffen, die ich schon ein paarmal beinahe aussortiert hätte. Aber ich muss sagen, es machte schon Spaß, mit dem ollen Ding wieder mal ein paar Fotos zu machen.

Ich hoffe sehr, dass ich mich bald wieder etwas mehr bewegen kann. Schließlich geht das auch mit Abstand. Mit ein bisschen gutem Willen geht schließlich viel. Der Corona-Blues wird mich nicht unterkriegen. Und mich nicht einsperren. Mir genügt es nicht, von Reisen zu träumen, die ich vielleicht irgendwann machen kann. Aber es genügt mir, die ganz kleinen Reisen zu genießen. Vorerst.

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7 Comments

  1. man muss nicht um die ganze Welt fliegen wenn es zuhause auch schön ist ! Du hast es ja jetzt auch entdeckt nehme ich an ! Ich denke das mit den langen Reisen wird sich mal erledigt haben für die nächsten Monate. Sinnvoll ja oder nein ! Da kann man sicherlich geteilter Meinung sein ! Müssen wir ans andere Ende der Welt reisen ? Eine für mich gute Frage !

    1. Also, ich muss nicht, aber ich will, wenn es wieder geht. Und ich werde. Aber bis dahin genieße ich das, was geht. Ich hoffe, bald wenigstens wieder ans Meer zu können.

  2. hallo! ich bin zufällig auf deine website gestossen und muss sagen: ich kann dein meer-fernweh mehr als nachvollziehen. einmal länger am meer gelebt, komme ich nicht mehr davon los und werde wohl erst geheilt sein, wenn ich dort leben kann. diese weite, diese energie!
    sehr schöne NZ meeresfotos! tolles konzept!
    LG und weiter so, meer (und wellen) fan Chris

    „frei-und-auf-achse!“ 🙂

    1. Hallo Chris,
      ja, Du sagst es. Ich komme auch nicht davon los und werde ich auch nie. Ich bin jetzt 5 Wochen nicht am Meer gewesen. Das ist ja echt nicht lang, aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Ich hoffe, wir können bald wieder reisen. Zumindest bis zur nächsten Küste,:-) Das wäre Belgien von hier aus gesehen. Und es wäre ein guter Anfang…
      LG Renate

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